Organisationslehre. 3. Ablauforganisation

3.4 "Structure" und "Process". Organisationsänderungen im Aufbau oder im Ablauf?

Die Begriffe zum Management werden heute maßgeblich von Autoren und Publikationen aus dem englischsprachigen Raum dominiert. Dies gilt auch für die Themen von Organisation und die Organisationslehre. So werden etwa die deutschen Begriffe "Aufbau- und Ablauforganisation" zusehends durch die moderner klingenden Begriffe "structure" and "process" abgelöst. Von der Sache her hat sich nichts geändert, aber bekommt einen dynamischeren, innovativeren und moderneren Anstrich. Allerdings hat das Nebeneinander deutscher und englischer Begriffe die Terminologie eher schwierig gemacht (etwa ist ein Begriff wie "flow structures" nicht ohne weiteres auf Deutsch zu übersetzen; ist zumindest erklärungsbedürftig). Wie in jedem anderen Wissenschaftsbereich gibt es auch in der Organisationslehre den Rechtfertigungszwang ganz Neuartiges zu entwickeln. Dabei kommt es vor, dass Banales und Bekanntes in blumige, meist englischsprachige Begriffe verpackt und als bahnbrechende neue Erkenntnis verkauft wird. Vorsicht daher mit Begriffen wie "structure", "structural", "change", "innovation", "vision", etc. Selten sind es echte neue Erkenntnisse. Oft dagegen handelt es sich - bildlich gesprochen - um alten Wein handelt, der hier - absichtlich und unabsichtlich - in neuen Schläuchen offeriert wird.

Bei organisatorischen Dingen, sowohl theoretischer als auch praktischer Orientierung, lassen sich die zwei Blickrichtungen unterscheiden: Geht es in erster Linie um aufbau- oder um ablauforganisatorische Fragestellungen? Anders formuliert: Geht es um Fragestellungen hinsichtlich "structure" oder um "processes"? Dabei lassen sich drei Konstellationen unterscheiden:

1) Die Aufbauorganisation ändert sich, der Ablauf bleibt unverändert (structural change)

Hier erfolgen Änderungen bei der Aufbauorganisation, d.h. die Hierachiebenen werden beispielsweise von 4 auf 3 Ebenen reduziert; oder eine Abteilung wird geschlossen oder eine neue Abteilung wird etabliert. Aufbauorganisatorische Änderungen haben für das Unternehmen erhebliche Auswirkungen, und sind daher nur einer grundlegenden strategischen Umorientierungen anzutreffen. Nur in besonderen Fällen wird ein Organisator die Macht haben, Stellen und Positionen innerhalb des Unternehmens zu schaffen oder Stellen abzuschaffen.

2) Die Ablauforganisation ändert sich, der Aufbau bleibt unverändert (process change)

In diesem Fall werden ablauforganisatorische Verbesserungen vorgenommen, ohne dass sich daraus Änderungen bei der Aufbauorganisation ergeben. Vorgesetzte und Mitarbeiter behalten ihre Positionen, ihre Aufgaben und Tätigkeiten. Die Abläufe ändern sich jedoch in der Weise, dass sie verbessert und optimiert werden. Typischerweise handelt es sich in der Praxis um die Einführung von Qualitätsmanagement-Systemen oder die Zertifizierung von QM-Systemen. für den Organisator einfacher ist es dagegen, Positionen und damit den Organisationsaufbau nicht zu verändern und nur die Abläufe im Sinne ihrer höheren Effizienz zu ändern und zu verbessern. Konkret wäre dabei die Modifikation der Aufgaben im in den Stellenbeschreibungen denkbar, ohne jedoch an Hierarchie und Rangordnung Veränderungen vorzunehmen. Der Widerstand ist geringer.

3) Sowohl Aufbau- als auch Ablauf ändern sich (structure and process changes)

Organisatorische Änderungen in einem Unternehmen führen meist zu Veränderungen sowohl bei der Aufbau- als auch bei der Ablauforganisation, d.h. changes of structure and changes of processes. Bei genauer Betrachtung gehen Änderungen in aufbau- auch mit ablauforganisatorischer Hinsicht Hand in Hand. Also insofern haben wir es meist mit beiden Arten organisatorischer Veränderung zu tun, wobei für den jeweiligen Fall eine besondere Art der Gewichtung vorliegt.


Zell, Helmut: Die Grundlagen der Organisation - lernen und lehren, Norderstedt 2019